Es muss nicht immer „die Cloud“ sein
Ob Daten, Software oder komplexe Prozesse: Wenn man sich in der IT-Landschaft umschaut, hat man das Gefühl, dass alles inzwischen in “der Cloud” liegt. Wir erklären, warum Infrastrukturentscheidungen mehr brauchen als Buzzwords und zeigen Alternativen zur allgegenwärtigen “Cloud” auf.
„Cloud“: ein Begriff ohne Substanz
Was sich alles „Cloud“ nennt, ist erstaunlich. Virtuelle Maschinen, gemanagte Datenbanken, proprietäre Plattformdienste, Filehosting – alles bekommt das gleiche Label. Dabei ist der Begriff technisch nahezu wertlos. Er kaschiert, was eigentlich darunterliegt. Und macht es dadurch schwerer, fundierte Entscheidungen zu treffen.
Deshalb haben wir schon vor einiger Zeit aufgeschrieben, warum wir das Wort „Cloud“ problematisch finden.
(Spoiler: Weil es verschleiert statt zu klären. Weil es Machtstrukturen unsichtbar macht. Und weil es oft ein Türöffner für technologische Abhängigkeit ist.)
Warum es sich lohnt, Alternativen zu prüfen
Die Entscheidung für eine Infrastrukturform ist keine rein technische. Sie hat ökonomische, ethische und politische Dimensionen. Sie beeinflusst, wie souverän ein System betrieben werden kann,und wie resilient es ist, wenn sich Rahmenbedingungen ändern. Und auch wenn viele Verkaufstexte sich anders lesen: An “der Cloud” ist keineswegs alles rosarot.
1. Kosten: “Die Cloud“ ist nicht per se günstiger
„Die Cloud“ klingt günstig, weil sie mit niedrigen Einstiegskosten lockt. Doch was am Anfang billig aussieht, wird langfristig oft teuer. Gerade bei dauerhaft laufenden Services ist der Betrieb eigener Hardware – ob direkt oder über Colocation – oft klar kalkulierbarer und ökonomischer.
2. Know-how: Plattformwissen ist Lock-in-Wissen
Wer sich tief in AWS oder ähnliche Anbieter einarbeitet, sammelt spezielles Wissen. Nützlich, klar, aber fast ausschließlich innerhalb dieses Ökosystems. Wer später wechseln will, steht oft wieder am Anfang. Ganz anders beim Betrieb eigener Systeme: Wer eigene Server verwaltet, lernt Grundlagen, die überall zählen: von Linux-Administration über Netzwerksicherheit bis zu Open-Source-Monitoring. Das ist nachhaltiges Know-how. Plattformwissen dagegen ist Lock-in-Wissen: Es funktioniert nur dort, wo du es gelernt hast – und macht dich abhängig von genau diesem Anbieter.
Was versteht man unter Vendor Lock-in?
Vendor-Lock-in entsteht, wenn Anbieter ihre Software oder Services so gestalten, dass ein Wechsel zu anderen Anbietern kompliziert, aufwändig und teuer wird. So entsteht eine Abhängigkeit, die Kundinnen und Kunden faktisch an einen Anbieter bindet.3. Abhängigkeit: Flexibilität endet an der API-Grenze
Die meisten Plattformen geben dir nur so viel Freiheit, wie sie wirtschaftlich vertreten können. Wer tief integriert, kommt schwer wieder raus. Vendor Lock-in ist kein Nebeneffekt – sondern Teil des Geschäftsmodells. Und wer später wechseln will, steht vor massiven Migrationshürden.
4. Datenschutz: Nicht jedes Rechenzentrum ist DSGVO-konform
Auch wenn dein „Cloud“-Server in Frankfurt steht, gelten möglicherweise US-Gesetze – inklusive Zugriffsmöglichkeiten durch Behörden. Wer sensible Daten schützt, sollte sich mit solchen Fragen ernsthaft auseinandersetzen. Denn Datenschutz ist kein Häkchen in der UI, sondern ein Architekturprinzip.
5. Weltweiter Zugriff ist kein „Cloud“-Feature
Der Zugriff auf Systeme von überall ist kein exklusives Feature der „Cloud“. Du kannst eigene Server betreiben, redundant anbinden, absichern und sie weltweit verfügbar machen. Wenn du weißt, was du tust, brauchst du dafür keinen Plattformanbieter. Nur solide Technik.
Welche Alternativen gibt es?
Zahlreiche. Welche Vor- und Nachteile sie jeweils im Vergleich zur “Cloud” haben, haben wir hier zusammengefasst:
Eigene Hardware im Rechenzentrum (Colocation)
Du kaufst die Hardware, betreibst sie im fremden Rechenzentrum – und behältst die volle Kontrolle. Keine fremden Updates, keine versteckten Preisänderungen, keine Abhängigkeiten.
Vorteile: Kontrolle, Planbarkeit, Datenschutz
Nachteile: Investition, Verantwortung
Managed Hosting
Du mietest dedizierte Server und delegierst den Betrieb, ohne auf Transparenz und Unabhängigkeit zu verzichten.
Vorteile: weniger Aufwand als für Colocation, trotzdem kein Lock-in
Nachteile: weniger feine Steuerung als bei Colocation
Hybride Architekturen
Manche Teile in Colocation, manche Dienste extern. Das Beste aus beiden Welten – mit Bedacht zusammengesetzt.
Vorteile: Flexibilität, selektive Optimierung
Nachteile: Komplexität steigt
On-Premises
Eigene Hardware im eigenen Haus. Maximal unabhängig – aber auch maximal aufwändig.
Vorteile: volle Kontrolle, kein Dritter involviert
Nachteile: Infrastruktur (z. B. zuverlässige Stromversorgung, schnelle und redundante Internetanbindung, Zugangssicherheit / physische Sicherheit), Wartung, Aufwand
Wir sind nicht gegen „die Cloud“ – wir sind gegen Denkfaulheit
Um keine Missverständnisse entstehen zu lassen: Wir bei bevuta sind keine Cloud-Gegner. Wir sind Gegner von unreflektierten Entscheidungen. Von Standardlösungen, die gewählt werden, weil „man das heute halt so macht“. Von der Annahme, dass „Cloud“ immer gleichbedeutend ist mit modern, günstig oder zukunftssicher.
Wer Systeme baut, die lange halten, Verantwortung tragen, Daten schützen und demokratische Werte stützen sollen, sollte sich nicht auf Verkaufsversprechen verlassen. Sondern auf eigene Überzeugungen. Und technisches Verständnis.
Ein Werkzeug von vielen
“Die Cloud“ ist keine Lösung, sondern ein Werkzeug. Ein leistungsfähiges – aber eben nur eins von vielen.
Wer mit Verantwortung entwickelt, muss weiter denken. An Datenschutz. An Nachhaltigkeit. An Kontrolle. An Wissensaufbau. An das, was bleibt, wenn der Hype vorbei ist.
Und vor allem: An eine Welt, in der wir nicht noch abhängiger werden – sondern souveräner.
Es muss nicht immer „die Cloud“ sein. Aber es muss durchdacht sein.